Frakturen beim Pferd

19.07.2009 17:52

Frakturen sind das Schreckgespenst für viele Pferdehalter! Dieses Info-Heft kann nur einen kurzen Überblick über die beim Pferd häufig auftretenden Frakturen geben, dennoch trägt es hoffentlich dazu bei, dem Thema ein wenig den Schrecken zu nehmen.

Als Fraktur  wird eine Zusammenhangstrennung eines Knochens bezeichnet, die fast immer mit einer Funktionseinbuße des betroffenen Körperteiles einhergeht.

Man unterscheidet vollständige Frakturen, bei denen der Knochen vollständig durchtrennt ist und teilt diese dann noch in geschlossene Frakturen (ohne Hautverletzung) und offene Frakturen (mit Haut- und Weichteilverletzung) ein; bei unvollständigen Frakturen ist der Knochen nicht komplett durchtrennt, sondern es gibt z. B. Spalten oder feine Haarrisse, bei denen aber die den Knochen umgebende Knochenhaut unverletzt ist.

Einteilung von Frakturen

Nach der Art der Gewalteinwirkung:

  • Direktes Trauma (z. B. Trittverletzung)
  • Indirektes Trauma (z. B. Stauchungsfrakturen, Biegung, Drehung, Zug- oder Scherkräfte)

Nach der Anzahl der Frakturfragmente:

  • Einfache Brüche
  • Mehrfragmentbrüche
  • Trümmerfrakturen

Nach Verlauf der Frakturlinie:

  • Querfrakturen
  • Längsfrakturen
  • Spiralfrakturen
  • Schrägfrakturen

 

Symptome bei Frakturen:

Unsichere Frakturzeichen:

  • Schwellung
  • Schmerz
  • Funktionseinbuße
  • Hämatom
  • Unfallhergang

Sichere Frakturzeichen:

  • Abnorme Beweglichkeit
  • Röntgenbefund

 

 

Verhalten bei Verdacht auf eine Fraktur:

  • Ruhe bewahren!
  • Eigensicherung beachten!
  • Tierarzt rufen!
  • Das Pferd nicht mehr bewegen è bei einem Unfall im Gelände den Tierarzt zur Unfallstelle kommen lassen!
  • Kliniktransport erst nach tierärztlicher Erstversorgung!

 

Diagnose von Frakturen:

Röntgen

 

Therapie:

Konservative Therapie:

  • Ruhigstellung des frakturierten Knochens durch Gips, etc.
  • Bei unkomplizierten, einfachen Frakturen ohne Gelenkbeteiligung

Operative Therapie:

  • Fixierung der Frakturstücke durch Schrauben, Nägel oder Platten

 

 

Beim Pferd vorkommende Frakturen:

 

Hufbeinfraktur

Eher selten. Am häufigsten bei Rennpferden. Entsteht durch Drehungsmomente beim Auffußen des Vorderfußes in schnellen Gangarten auf hartem Boden.

Symptome: Hochgradige Stützbeinlahmheit, Pulsation der Zehenarterien, Schmerzhaftigkeit der gesamten Sohlenfläche.

Therapie: Ruhigstellung der Bruchfragmente; Blockieren des Hufmechanismus durch geeigneten Beschlag. Lange Arbeitspause. Prognose: in Hinblick auf Arbeitsfähigkeit mäßig bis ungünstig; im Hinblick auf Weidegang gut.

 

Kronbeinfraktur:

Meist Beckengliedmaße betroffen. Am häufigsten Westernpferde der Disziplinen Reining, Cutting und Barrel-Racing. Auslöser sind Kompressions- und Scherkräfte, die bei plötzlichem Bremsen und Starten, sowie bei kurzen, schnellen Wendungen entstehen. Eine Zunahme der Gefährdung entsteht durch Stollen, da der Huf in Wendungen am Boden fixiert bleibt.

Symptome: Oft beim Trauma ein „pop“ hörbar. Schwellung im Hufsaumbereich. Hochgradige Lahmheit.

Vorkommende Frakturtypen: Chip-Fraktur (selten), Frakturen der Kronbeinlehne (häufig), Trümmerfrakturen (sehr häufig), oft Mitbeteiligung des Krongelenkes.

Therapie: Abhängig von der zukünftigen Verwendung des Pferdes, dem Ausmaß des Schadens an den Gelenkflächen, der festgestellten Schmerzhaftigkeit. (konservativ; interne Fixation durch Schrauben). Prognose: abhängig von der Mitbeteiligung des Krongelenkes.

Ohne Gelenkbeteiligung – gut, bei konservativer Versorgung von Trümmerfrakturen für auschließlichen Weidegang gut; bei chirurgischer Versorgung ist  z. T. auch der Einsatz als Reitpferd wieder möglich.

 

Fesselbeinfraktur:

Relativ häufig. Bandbreite zwischen Fissuren und komplizierten Trümmerbrüchen. Fissuren kommen häufiger bei Vollblütern und Springpferden vor, komplizierte Trümmerfrakturen betreffen Pferde, die in hohem Tempo schnelle, kurze Wendungen oder Stops gehen.

Ursache für die Fesselbeinfraktur sind jeweils Druckkräfte in der Längsachse des Fesselbeines in Kombination mit asymmetrischen Rotationskräften. (schnelle Drehungen, Wegrutschen, schnelle Wendungen mit Stollen)

Symptome: akute Lahmheit unterschiedlichen Ausmaßes. Geschwollener Fesselbereich.

Therapie: Überwiegend operativ durch Fixation mittels Schrauben; auch bei Fissuren.

Prognose: für Weidegang gut; für reiterliche Nutzung vorsichtig bis günstig, je nach Art der Verletzung und Versorgung.

 

Chip-Fraktur des Fesselgelenkes:

Chip-Frakturen sind Frakturen, bei denen Teile des Knochens abgesprengt werden und kommen nicht nur am Fesselgelenk vor.

Stauchung und Überstrecken des Gelenkes führen zum tiefen „Durchtreten“ des Fesselgelenkes, so dass das Röhrbein praktisch wie eine Brechstange auf das Fesselbein einwirkt. Die meisten Chip-Frakturen am Fesselgelenk befinden sich innen am Bein.

Symptome: Lahmheit, im Trab am deutlichsten; gelegentlich bessert sich eine Lahmheit spontan, wenn ein im Gelenk verklemmtes Knochstück sich verlagert hat. Schwellung durch vermehrte, entzündliche Füllung der Gelenkkapsel. Je nach Ausmaß. Lage und Größe des Chips finden sich auch nur undeutliche Bewegungsstörungen.

 

Therapie: Kleine, nicht verlagerte Chip-Frakturen zeigen bei konservativer Behandlung guten Heilungserfolg. Störende, größere Fragmente werden operativ entfernt oder per Zugschraube fixiert. Die Prognose variiert je nach Ausmaß von gut bis mäßig.

 

Gleichbeinfraktur:

Berufskrankheit von Rennpferden. Auch Fohlen unter zwei Monaten betroffen.

Die Gleichbeine spielen eine wichtige Rolle im Fesselträgerapparat. Oft ist nur eines der beiden Gleichbeine betroffen; sind beide betroffen kommt es zum Niederbruch des betroffenen Beines. Therapie und Prognose hängen sehr von der Art der Fraktur und der eventuell vorhandenen Gelenkbeteiligung ab.

Ursache: Ermüdung bei hartem Training, ungleicher Zug auf die Gleichbeine bei unebenen Untergrund, direktes Trauma durch Streichverletzungen. Bei Fohlen spielt die Ermüdung die größte Rolle, wenn sie versuchen, mit der Mutterstute Schritt zu halten.

Symptome: Lahmheit, begleitende Sehnenentzündung möglich, steilgestellte Fessel, dicker Fesselkopf, tieferes Absenken des Fesselkopfes in der Bewegung.

Therapie: Je nach Art und Umfang der Fraktur von konservativem Stützverband über Resektion der Fragmente oder Fixation mit Schrauben oder Knochentransplantation.

Prognose: Je nach Art und Umfang der Fraktur.

 

Röhrbeinfraktur:

Sehr häufig. Pferde aller Altersgruppen und Rassen.

Ursache: äußeres Trauma wie Trittverletzung, Löcher im Boden, Ausrutschen, Autounfälle, etc.

Symptome: Abhängig vom Ausmaß der Fraktur; Fissuren können zu lediglich unspezifischen Symptomen führen, schwerere Frakturen führen zu einem Achsenknick der Gliedmaße mit höchstgradiger Lahmheit.

Therapie: Abhängig von Art und Ausmaß der Fraktur. Bei Frakturen des Röhrbeines handelt es sich bedingt durch die fehlende „Polsterung“ am Röhrbein häufig um offene Frakturen, die durch Verschmutzung der Wunde zu Komplikationen in der Wundheilung neigen und somit von der Prognose her als schlecht zu beurteilen sind.

Bei geschlossenen Frakturen oder nur mäßig kontaminierten offenen Frakturen kommen verschiedene Methoden der Fixation durch Schrauben, Nägel oder Platten in Frage.

Prognose: sehr variierend, abhängig von Art und Umfang der Verletzung und von der angestrebten Verwendung. Fohlen und jüngere Pferde haben eine deutlich günstigere Prognose. Pferde mit offenen oder Trümmerfrakturen vorsichtig bis schlecht.

 

Griffelbeinfraktur:

Die Griffelbeine, die beidseits am Röhrbein sitzen, sind ähnlich ungeschützt wie das Röhrbein selbst. Frakturen der Griffelbeine können an jeder Stelle auftreten, wobei verschiedene „Berufsgruppen“ der Pferde zu unterschiedlichen Fraktur-Stellen neigen.

Ursache: äußeres Trauma durch Schlagverletzungen, etc.; inneres Trauma durch Druck- und Zugkräfte bei hohen Belastungen.

Symptome: Ob eine Lahmheit besteht, hängt davon ab, wie frisch die Fraktur ist und welcher Teil betroffen ist. Umfangsvermehrung, Wärme, Schmerz.

Therapie: konservativ oder operativ, je nach Ausmaß und Beschwerden.

 

Karpalgelenksfrakturen

Ähnlich wie Fesselgelenksfrakturen, häufig Chipfrakturen

 

Radiusfrakturen

Häufig. Auslöser sind jeweils gewaltige Kräfte, wie z. B. Autounfälle, schwere Stürze auf Eis, etc.

Therapie: überwiegend operativ; Prognose: junge, ruhige oder leichte Pferde günstig, sonst eher vorsichtig.

 

Humerusfraktur:

Eine Fraktur des Oberarmes kann nur durch ganz erhebliche Kräfte entstehen.

Symptome: scheinbares Herabhängen des Ellbogens, hochgradige Lahmheit.

Therapie: außer bei Fohlen operativ; komplizierte Nachsorge mit der Gefahr der Belastungsrehe und Hufbeinrotation des gesunden Beines. Prognose: vorsichtig.

 

Die Frakturen der unteren hinteren Gliedmaßen sind ähnlich zu denen der vorderen Gliedmaßen.

 

Femurfraktur:

Häufig. Große Kräfte erforderlich, um den Oberschenkel zu frakturieren.

Symptome: Höchstgradige Lahmheit, wellige Kruppenmuskulatur.

Therapie: bei Fohlen operativ durch Fixierung mit Nägeln, Schrauben oder Platten; Behandlungsversuche von Jährlingen und älteren Pferden sind meist vergeblich.

 

Beckenfraktur:

Häufig. Traumatisch bedingt, z. B. schwere Stürze beim Springen, Ausrutschen.

Symptome: sehr verschieden, ein- oder beidseitige Lahmheit, Asymmetrie der Kruppe.

Therapie: Boxenruhe, ggf. Hängegurt. Lange Heilungsdauer (bis 12 Monate!); Prognose je nach Ort und Art der Fraktur. Achtung: bei Stuten kann es durch Verkleinerung des Beckenringes zu einer Zuchtuntauglichkeit kommen.

 

Wirbelfrakturen

Halswirbelfrakturen treten häufig bei Fohlen auf. Sowohl bei Fohlen, als auch bei älteren Tieren treten verschiedene Kombinationen aus Frakturen der Wirbelkörper, der Gelenkfortsätze und Verschiebungen der Wirbel auf. Kombinationen aus intensiver medikamentöser Therapie und operativen Eingriffen können zum Erfolg führen.

Frakturen der Dornfortsätze im Brust- und Lendenwirbelbereich entstehen häufig durch Überschlagen der Pferde beim Steigen oder im Rahmen von schweren Stürzen. Sie heilen meistens komplikationslos.

Frakturen der Brust- und Lendenwirbelkörper sind selten, entstehen durch schwere Stürze, Blitzschlag, Stromschläge. Die Prognose ist ungünstig.

 

 

Möglichkeiten der Tierphysiotherapie bei der Nachbehandlung von Frakturen:

 

Die drei Hauptgebiete der Tierphysiotherpaie in der Nachbehandlung von Frakturen sind:

1.      Folgeschäden durch längerdauernde Boxenruhe zu vermeiden

2.      Folgeschäden durch Ruhigstellung einer Gliedmaße zu vermeiden

3.      Wiedererreichen eines physiologischen Bewegungsmusters nach OP

 

 

Die Vermeidung von Folgeschäden durch längerdauernde Boxenruhe:

(Jeweils in Abstimmung mit dem behandelnden Tierarzt)

  • Lymphdrainage zur Entstauung angelaufener Beine
  • Massage zur Anregung des Stoffwechsels
  • Magnetfeldtherapie zur Förderung der Wund- und Knochenheilung (auch bei Schrauben, Nägeln, Platten) und zur Förderung des Stoffwechsels
  • Leichte Bewegungs- und Dehnungsübungen der gesunden Gliedmaßen
  • Passive Bewegungsübungen unter Verband/Gips

 

Die Vermeidung von Folgeschäden durch Ruhigstellung einer Gliedmaße:

(Jeweils in Abstimmung mit dem behandelnden Tierarzt)

  • Pflege der anderen Gliedmaßen, die vermehrt Gewicht zu tragen haben
  • Nach Verbandentfernung intensive Massagen der erkrankten Gliedmaße zur Förderung der Durchblutung
  • Passive Bewegungsübungen zur Erhaltung der Beweglichkeit
  • Gelenkmobilisation

 

Das Wiederereichen eines physiologischen Bewegungsmusters nach OP:

(Jeweils in Abstimmung mit dem behandelnden Tierarzt)

  •  Passive und aktive Bewegungsübungen
  • Übungen zum Muskelaufbau
  • Dehnungsübungen
  • Sorgfältiger Trainingsaufbau unter physiotherapeutischen Gesichtspunkten

 

 

 Haben Sie noch Fragen zum Thema „Frakturen beim Pferd“ oder möchten Sie wissen, ob für Ihr Pferd eine tierphysiotherapeutische Behandlung in Frage kommt?

Kontaktieren Sie mich unverbindlich, ich berate Sie gern.

 

 

 

 

 

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